Weihnachten ist zumindest in normalen Jahren auch die Zeit des Wiedersehens. Im Normalfall geht es um Menschen, für mich persönlich um ein Fahrzeug. Trotzdem ist es schon fast ein Verwandter, der endlich wieder vorbeischaut. Ohne Viren, aber dafür frisch lackiert, glänzend wie eine blaue Weihnachtskugel und die Verheißung auf eine Zeit nach Corona. Wenn es wieder losgeht mit dem Reisen, wenn die Wohnmobile wieder aus dem Winterdepot geholt werden. Kurz gefasst: Es ist das Happy-End. Mein Wohnmobil ist nach dem verheerenden Unfall auf einer slowenischen Autobahn und einer langen Reparatur wieder zu mir zurückgekehrt. Giuseppe sei Dank.
In einem Auto fährt man, in einem Womo wird gelebt
An so einem Wohnmobil hängt man ja wirklich ein bisschen. Viel mehr als an einem ganz normalen Auto. In eniem Auto fährt man, in einem Wohnmobil dagegen findet ein wenn auch kleiner Teil des Lebens statt. Vielleicht nur für ein paar Wochen des Jahres, doch die reichen aus, um eine enge Verbindung zu schaffen. Mehr manchmal, als zu einem (siehe oben) Verwandten…
Üble Erinnerungen
Zur Erinnerung: Wir hatten einen Reifenplatzer beim Überholen auf der Slowenischen Autobahn auf der Fahrt nach Kroatien. Bei knapp 120 Stundenkilometer konnte meine Frau den Wagen nicht mehr halten, als der linke Hinterreifen versagte und das Wohnmobil ganz gewaltig schlingert. Ich saß hinten und beobachtete wie in einem Action-Film im Kino durch die wie eine Leinwand wirkende Frontscheibe, wie sich das Womo bei dieser Geschwindigkeit begann zu drehen, links auf eine Betonbrüstung prallte, dadurch in der Drehung abgefangen wurde, quer nach rechts über die Fahrbahn schlitterte und an einen Pfosten prallte. Gut so, denn dahinter wäre ein Graben gewesen.
Wir blieben fast unverletzt, bis auf einen Cut an meinem Kinn, der genäht wurde. Später meinte der DEKRA-Fachmann zu Hause: „Trauern sie nicht um das Wohnmobil, machen sie einen Sekt auf, dass sie noch leben.“
Italienische Handarbeit
Die ganze Front war kaputt, Träger, Kühler, alle Plastikteile und der linke Kotflügel. Trotzdem suchte ich eine Werkstatt, die den Schaden wirtschaftlich sinnvoll behenen konnte. Klar, zu Ford – das Basisfahrzeug ist ein Transit – konnte ich das Auto nicht bringen lassen. Eine Vertragswerkstatt ist für solche Fälle einfach zu teuer.
Heute zeigt sich, dass es trotzdem geht, einen solchen Unfallschaden zu reparieren. Zu verdanken ist das meinem alten Bekannten Giuseppe Bellanti. Der gebürtige Italiener hat vor fast 30 Jahren in einer kleinen Garage der Tankstelle eines Supermarktes begonnen, Autos zu reparieren. Ganz alleine, aber mit viel Leidenschaft. Aus dieser Zeit kenne ich ihn. Heute hat er eine große Halle in einem Gewerbegebiet, in Ingolstadt, eine Lackiererei und etliche Angestellte. Wenn man ein Beispiel dafür nennen will, wie einer alles mit den eigenen Händen aufgebaut hat, dann ist Giuseppe der lebende Beweis, das so etwas möglich ist. „Ich helfe dir. Schauen wir, ob wir das zu einem vernünftigen Preis machen können“, sagte er. Ich war skeptisch.
Immer wieder neue Baustellen
Am Ende hat es ihn viel Mühe und Nerven gekostet. Er hat die neuen Kotflügel nicht von Ford bezogen, sondern von Firmen, die sich auf Nachbauten spezialisieren, hat nicht-tragende Kunstoff-Teile lackiert, die dann doch nicht gepasst haben, weil sie nicht maßstabsgetreu produziert wurden. Hat immer neue Roststellen entdeckt, die er teils schweißen und wieder lackieren musste. Aber jetzt ist er fertig, und selbst richtig stolz, dass er es geschafft, hat mein Wohnmobil wieder wie neu erscheinen zu lassen.
Was kostet die Reparatur?
Was es gekostet hat? gut 16500 Euro incl. MwSt., und bei diesem Preis war auch die neue Windschutzscheibe enthalten, vier neue Reifen und endlos viele andere Teile. Klar, es war ein Freundschaftspreis, aber es zeigte auch, was möglich ist, wenn jemand wirklich den Elan hat, etwas zunächst aussichtslos scheinendes anzupacken.
Wie ein Neuwagen
Heute nun die Probefahrt. Es ist herrlich zu hören, wie der Motor wieder gleichmäßig brummt, wie zunächst zwar noch einige Plastikteile, die sich bei dem Aufprall verformt haben, quietschen, nach ein paar Kilometern aber wieder in der ursprünglichen Position sind und Ruhe geben. Vor allem aber, wie dieses Auto, schnurgeradeaus fährt, perfekt die Spur hält, und auch beim Bremsen keinen Zentimeter ausweicht. Klar, alles ist neu, von den Federn bis zu den Bremsen und den Querträgern. Aber das spürt man auch. Es ist eine Fahrgefühl wie bei einem Neuwagen. Faszinierend, dass so etwas nach einem solchen Schaden möglich ist.
Ein Stück Normalität – und das im Jahr 2020
Ich bin überglücklich. Endlich, nach vielen Monaten ist mein Wohnmobil zurück. Fast wage ich es nicht, so zu fahren wie bisher (ok, ich bin früher Motorrad gefahren und angeblich ist das meiner Fahrweise auch heute noch anzumerken), es ist alles so neu und wirkt so verletzlich. Aber es ist schön, nach einem Jahr wie diesem, an dem wir alle teils schlimme Erfahrungen machen oder zumindest ein Leben führen mussten, wie wir es nie vermutet hätten, kurz vor dem Ende ein Stück Normalität zurückzubekommen.
Träume vom Unterwegs-sein
Genau das ist es, was ich Euch auch wünsche. Ein Stück Normalität zurückzubekommen im nächsten Jahr, gesund zu bleiben und Euch an den schönen, wenn auch nicht elementar wichtigen Dingen des Lebens zu freuen. Wie eben ein Wohnmobil zu besitzen.
Vor allem aber wünsche ich Euch, zu träumen. Von den Zeiten, wieder Unterwegs zu sein, ein Stück Freiheit zu erleben – und das Reisen mit einem Womo zu genießen.
Ebenfalls interessant:
6 Kommentare